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Mrz 4, 2018
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Hyperaktivität beim Hund

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Um eines gleich vorweg zu nehmen: nicht jeder lebhafte Hund ist hyperaktiv. Wie viel Bewegung und anderweitige Beschäftigung ein Hund braucht, hängt unter anderem vom Alter und von der Rasse ab, wobei auch innerhalb derselben Rasse die Unterschiede beträchtlich sein können.

Wie erkenne ich jetzt aber einen hyperaktiven Hund?

Hunde, die an echter Hyperaktivität leiden, zeigen meist mehrere der folgenden Symptome in unterschiedlich starker Ausprägung. Zuerst einmal ist der Leidensdruck für Hund und Halter extrem hoch. Hyperaktive Hunde sind keine lebhaften, übermütigen Energiebündel. Sie kommen mit ihrer Umgebung schwer zurecht und leiden darunter, und das sieht man ihnen auch an. Das Leitsymptom ist natürlich die extreme Lebhaftigkeit dieser Hunde. Sie reagieren schon auf geringste Reize extrem stark, die Reaktionen sind oft unangemessen hoch. Hyperaktive Hunde finden nicht zur Ruhe und schlafen auch zu wenig, sie wirken extrem fahrig, scannen ununterbrochen die Umgebung, zerren beim Spaziergang an der Leine, wechseln ständig die Straßenseite, springen am Besitzer und auch an Fremden hoch, sind auch zu Hause permanent in Bewegung und wirken auch noch nervös und angespannt, wenn sie sich tatsächlich mal hinlegen. Das Erregungsniveau dieser Tiere ist ständig erhöht, auch ohne äußere Einflüsse. Klingelt es jetzt noch an der Tür oder nähert sich beim Spaziergang ein anderer Hund, so eskaliert die Situation meistens völlig. Die Hunde steigern ihr sowieso schon zu hohes Erregungslevel noch einmal und sind dann kaum noch zu bändigen und es dauert lange, bis sie sich wieder einigermaßen beruhigen können. Sie springen Besucher an und bellen ausdauernd, manche benehmen sich außerordentlich aufdringlich. Also werden diese Hunde oft weggesperrt, wenn Besuch kommt, was allerdings zu weiteren Problemen führen kann: jetzt kommt zum stark erhöhten Erregungsniveau noch Frustration dazu, was bei manchen Hunden zu regelrechten Zerstörungsorgien führen kann. Hyperaktive Hunde haben oft auch Probleme mit anderen Hunden. Da ihnen eine langsame Annäherung offensichtlich nicht möglich ist, fallen sie sozusagen mit der Tür ins Haus und rennen andere Hunde bei der Begrüßung schon einmal über den Haufen – was verständlicherweise nicht immer gut ankommt. Sie spielen oft sehr wild und körperbetont.

Was alle hyperaktiven Hunde gemeinsam haben, ist die Unfähigkeit sich zu konzentrieren. Die Konzentrationsspanne ist extrem niedrig, sie werden sehr schnell abgelenkt, können nicht zwischen wichtigen und unwichtigen Reizen unterscheiden und Erlerntes wird nur schwer behalten. Mit einem hyperaktiven Hund hat man das Gefühl, bei der Erziehung jeden Tag wieder von vorne anfangen zu müssen. Dazu kommt noch, dass die Halter extrem unter Druck stehen. Ständig müssen sie sich und ihren Hund verteidigen und sich seltsame Ratschläge anhören. Oft werden diese Hunde leider als dominant eingestuft und dem Besitzer zu mehr Härte geraten. Da hyperaktive Hunde aber sehr sensibel sind, führt mehr Härte wieder zu einer Steigerung des Erregungsniveaus und somit zu einer Verschlechterung der Symptome. Auch mehr Bewegung und mehr Beschäftigung sind nicht zielführend.

Hyperaktivität – Therapieansätze und deren Grenzen

Zuerst einmal muss unterschieden werden zwischen Hunden mit „echter“ Hyperaktivität und solchen, die nur hyperaktive Symptome zeigen. Bei der zweiten Kategorie handelt es sich meist um Hunde, die aufgrund von ungeeigneten Haltungsbedingungen auffällig werden. Hier unterscheidet man zwischen den Hunden, die zu wenig beschäftigt und denen, die zu viel beschäftigt werden. In beiden Fällen verschwinden die Symptome in der Regel völlig, sobald das richtige Maß an Beschäftigung für den jeweiligen Hund gefunden wurde.

„echter“ Hyperaktivität

Anders verhält es sich bei Hunden mit „echter“ Hyperaktivität. Die Ursache liegt hier in der gestörten Wahrnehmung: wichtige Reize können nicht von unwichtigen unterschieden werden, alles kommt ungefiltert im Gehirn an und verursacht verständlicherweise Stress beim Hund. „Echte“ Hyperaktivität ist nicht heilbar. Trotzdem kann man den betroffenen Tieren dabei helfen, ein annähernd normales Leben zu führen.

Die meisten Halter haben bereits auf die eine oder andere Art versucht, mit dem Problem umzugehen. Einige sind besonders streng mit ihrem Hund, weil die mangelnde Konzentration als dominantes Verhalten interpretiert wird, andere beschäftigen ihren Hund ununterbrochen, um ihn endlich müde zu bekommen. Beides ist nicht zielführend, es verschlimmert die Symptome sogar noch. Also steht am Anfang jeder Therapie die Aufklärung des Halters und das Einstellen ineffektiver Behandlungsmethoden.

Grundsätzlich ist alles zu vermeiden, was beim Hund das Erregungsniveau steigert: Der Umgang mit dem Hund sollte ruhig sein, Fehlverhalten sollte man möglichst ignorieren. Spaziergänge werden auf ein normales Maß reduziert, in manchen Fällen ist es besser, vorübergehend ganz darauf zu verzichten (man geht also mit dem Hund nur kurz raus, damit er seine „Geschäfte“ erledigen kann). Ballspiele und wilde Spiele mit anderen Hunden sind tabu. Viele hyperaktive Hunde können stundenlang im Garten hin und her rennen: auch das sollte unterbunden oder wenigstens zeitlich begrenzt werden. Zieht der Hund beim Spaziergang dauerhaft an der Leine, kann eine andere Leinenlänge ausprobiert werden.

Der Alltag zu Hause sollte so langweilig wie möglich sein. Der Hund soll lernen, sich zu entspannen – für hyperaktive Hunde eine völlig neue Erfahrung. Ruhiges Verhalten muss immer verstärkt werden. Gönnen Sie Ihrem Hund eine „Kuscheltherapie“ – Körperkontakt wirkt wahnsinnig beruhigend. Da hyperaktive Hunde auch eine gestörte Körperwahrnehmung haben, sollten begleitend immer Maßnahmen ergriffen werden, die die Körperwahrnehmung stärken. Dazu eignen sich Massagen, Tellington-Touch, Körperarbeit, Körperbandagen oder das Tragen von T-Shirts. Gleichzeitig soll die Konzentrationsfähigkeit erhöht werden. Man fängt mit den üblichen Grundgehorsamsübungen an und steigert sich dann sehr langsam. Die Trainingseinheiten sollten sehr kurz gehalten und der Hund nicht überfordert werden. Die Lernerfolge werden sich langsamer einstellen als bei einem unauffälligen Hund und in den meisten Fällen auch nie so sicher abrufbar sein. Der hyperaktive Hund sollte immer Einzelunterricht bekommen – mit Gruppenunterricht wäre er völlig überfordert. Um die Konzentrationsfähigkeit zu erhöhen, eigenen sich z.B. auch Suchspiele, Fährtenarbeit oder Clickertraining.

Hyperaktive Hunde können im Rahmen ihrer Fähigkeiten durchaus beträchtliche Fortschritte machen. Trotzdem wird der Halter immer das Erregungsniveau seines Hundes im Auge behalten und sich auf Rückschläge einstellen müssen. Aber mit den geeigneten Maßnahmen bekommt man das Problem jedes Mal schneller wieder in den Griff.

autor_karin_oswald

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