„Der Weg ist das Ziel“ lautet ein Zitat, dass in unserer Zeit scheinbar an Gültigkeit aber mit Sicherheit an Beliebtheit verloren hat. Es passt nicht in unserem Terminplan viel Zeit oder sogar Mühe in etwas zu investieren. Ganz allgemein möchte man alles so schnell und so leicht wie möglich erreicht haben. Das bezieht sich auf viele Lebensbereiche und so auch aufs Hundetraining.
Mir geht es wie vielen Beratern im Tierreich: man wird konsultiert wenn der Hut „brennt“. Meist gehen dem problematischen Verhalten des vierbeinigen Mitbewohners Jahre des Fehlverhaltens der dazu gehörigen Menschen voraus. Dann ruft man um Hilfe und es wird schier Unmögliches erwartet: nämlich eine Lösung auf Knopfdruck.
Das erste Erstaunen gibt es dann meist schon beim ersten Gespräch: ein Plan der grundlegende Verhaltensänderungen bei den Menschen voraussetzt, ist höchst umstritten. Da kommen dann viele JA ABERS, Zweifel und mitunter Unverständnis. Warum man plötzlich dem unterforderten Hütehund nicht mehr stundenlang Bälle werfen soll, der braucht doch seine Bewegung zum Beispiel. Außerdem macht es doch Spaß dem Hund beim Fetzen zuzusehen.
Nur eines von vielen Beispielen – eigentlich hatte man sich erhofft einen Berater ins Haus zu holen, der den magischen Schlüssel für den vierbeinigen Freund dabei hat. Aber nix da: Training und Pläne und Änderungen und die Aussicht auf wochenlanges „sich mit dem Hund auseinandersetzen“ stehen an. Da klingen dann die Versprechungen der Gurus schon besser: schnelle Erfolge, nur einmalige Beratungseinheiten, dauerhafte Veränderung des unerwünschten Verhaltens…ER oder SIE (der Guru) kommt, sieht und legt den Schalter um. Beeindruckende Ergebnisse schon nach einem ersten Besuch. Ob sie sich nun Hundeschweiger, Flüsterer oder was immer nennen – das System ist letztlich recht einfach. Mit entsprechendem Charisma ausgerüstet (meist in die Wiege gelegt und nicht unbedingt durch Erfahrung erworben), einer guten Portion Selbstherrlichkeit, einem meist maßlos überteuerten Preis (was viel kostet MUß ja wirken!), einem Konzept das Hund und Besitzer gleichermaßen aus den Angeln hebt, weil unbekannt, ungewöhnlich und neu, also alles in einen AHA Status oder den Hund ins Flooding (viele Reize auf einmal die nicht mehr bewältigt werden können und deshalb ein Stillhalten auslösen) komplementiert, sprich Hund und Mensch sprachlos lässt und alte Verhaltensmuster (bei beiden!) unterbricht.
Der geplagte Mensch spürt grenzenlose Erleichterung, der Hund funktioniert ja doch! Da geben erwachsene Menschen die Verantwortung vertrauensvoll in die Hände eines anderen ab. Meist zeichnen sich Gurus auch durch eine gewisse Elterlichkeit aus, man fühlt sich in ihrer Nähe wohl und sicher…Aber eigentlich sollte uns der gesunde Menschenverstand schon sagen, das nichts, was wirklich von Dauer sein soll, so erworben werden kann. Ein Baum wächst nicht an einem Tag. Mit einer verlässlichen Beziehung zum Hund, die von gegenseitigem Respekt und Vertrauen getragen wird ist es ebenso. Training kann viel, aber nicht alles. Einige Aspekte (und das sind gar nicht so wenige) sind in jedem Lebewesen genetisch verankert. Lebhaft und temperamentvoll sind schöne in vielen Rassebeschreibungen auftauchende Bezeichnungen und implizieren Spaß und Lebensfreude. Es sind aber eben auch Wesenszüge, die einen gemütlicheN Mittvierziger mitunter an den Rand der Verzweiflung bringen können, nämlich dann wenn er aus dem Temperamentsbündel einen Couch Potatoe machen möchte.
„ Der Weg ist das Ziel“ sollten wir meiner Ansicht nach wieder vermehrt aktivieren. Den Weg lieben, ihn zusammen genießen, ihn Zeit und Aufmerksamkeit zukommen lassen, jeden Abschnitt bemerken, jede neue „Blume“ am Wegesrand, jede Biegung wahrnehmen und offen sein für neue Abzweigungen und Überraschungen. Und wenn es steil wird, dran bleiben und aufs Bauchgefühl hören. Vielleicht führt der Weg dann gar nicht mehr zu einem bestimmten Punkt sondern zu einer weitaus spannenderen und vielleicht glücksbringenderen Lichtung als wir es je beim Start geahnt hätten. Meist geht es im (Hunde)Leben nämlich gar nicht um Ziele, sondern wie wir den Weg dahin bestreiten.