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Mrz 20, 2018
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Der wird einmal ein Therapiehund…

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Ist mittlerweile eine gehäuft auftretende Aussage in jedem Welpenkurs. Man hört sie von Menschen aus sozialen Berufen, die gerne ihre Vierbeiner an den Arbeitsplatz mitnehmen möchten genauso oft wie von Menschen, die einfach gerne „Gutes tun“ möchten. Ich frage mich dann oft, haben sie das bei der Geburt ihrer Kinder auch so gehandhabt? Wussten Sie da schon, dass Sohn oder Tochter mal MedizinerIn, RechtsanwaltIn oder dergleichen werden würde? Wohl kaum.
Ich habe mich oft gefragt, warum möchte jemand das so sehr? So sehr, dass die Trainer gefragt werden, ob eine Ausbildung auch möglich wäre, wenn der Hund chronische (und ersichtliche) Schmerzen habe? So sehr, dass man geflissentlich Meideverhalten in der Begegnung mit fremden Menschen ausblenden möchte.

Warum tut man das seinem Hund an?

Es gibt einen weisen Spruch: Gut meinen ist nicht gleich gut machen – der gilt auch hier. Für die wenigsten Vierbeiner ist die Arbeit als Therapiebegleithund ein Kinderspiel. Ganz im Gegenteil: Es ist Arbeit. Und noch dazu eine recht anspruchsvolle und intensive. Zu der gewünschten Wesensfestigkeit und Stressresistenz der geeigneten Hunde kommen viele unterschätzte Anforderungen in der tiergestützten Arbeit hinzu, mal ganz abgesehen von Lärm, Gedränge, ungewöhnlichen Geräuschen und Gerüchen.

  • Wie geht es Hunden mit einem sterbenden Klienten?
  • Wie geht es Hunden mit depressiven Menschen?
  • Wie mit Grenzen auslotenden Kindern?
  • Wie geht es ihnen mit der vollen Aufmerksamkeit in einem Gruppensetting?

In diversen Ausbildungen werden einige aber nicht alle dieser Fragen geklärt. Wir mögen Hunde (auch) so gerne, weil sie uns so gut lesen und verstehen können, weil sie leiseste Regungen noch vor uns wahrnehmen, weil sie unsere Stimmungen erkennen. Stimmungsübertragung ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt in der Hundehaltung, aber daraus resultieren auch viele Probleme. Ein Hund der mit Menschen arbeitet und sozial kompetent agiert, wird jede Regung „seiner“ Klienten wahrnehmen. Deshalb sind Hunde so gute Co Therapeuten, weil wir anhand ihrer Reaktionen vieles besser erkennen können. Deshalb sind aber auch Auszeiten, artgerechte Entlastung und die Einhaltung von Rahmenbedingungen in der tiergestützten Arbeit so unglaublich wichtig.

Hunde die mit 5 Jahren in „Pension“ gehen, aufgrund Burnouts, sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Maximal 2 bis 3 Einsätze pro Woche mit je 30 Minuten intensivem Kontakt, ein Rückzugsort vorausgesetzt, den der Hund jederzeit für sich in Anspruch nehmen kann – das sieht auf den ersten Blick nach wenig aus. Doch was tut Hund da eigentlich?

Streicheln lassen, gefüttert werden, gebürstet werden, Sachen erschnüffeln – zugegebenermaßen klingt der Anforderungskatalog nicht sonderlich anstrengend. Fehlanzeige! Auch wenn Hund menschliche Zuneigung genießt, was er auch sollte als Co Therapeut im tiergestützten Setting, macht es einen großen Unterschied ob er das in der Freizeit oder im Arbeitsmodus tut.

Hunde im Einsatz sind ganz bei der Sache, aufmerksam, hellhörig, hellfühlig. Ihnen entgeht nichts. Auch wenn sie entspannt liegen und gestreichelt oder gebürstet werden, sind sie mit ihrer Aufmerksamkeit ganz im Hier und Jetzt. Das ist der große Unterschied zu den Entspannungsmomenten am Sofa zu Hause.

Ein „Therapiehund“ fürs eigene Kind?

Hier wird es schwierig. Das Anforderungsprofil ist noch viel höher je nach Anspruch der Eltern. Der Hund soll dem Kind ein guter Freund, Gesellschafter sein, ihm Empathie und soziale Rücksichtnahme lehren, er soll hyperaktive Kinder stiller und ruhige Kinder offener machen… die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Hunde (und Tiere) tun Kindern gut und es steht außer Frage, dass eine Kindheit mit einem Vierbeiner an der Seite viele Vorteile hat.

Doch in diesem Setting läuft man Gefahr den Hund mit überzogenen Erwartungen in die Familie aufzunehmen. Hier gibt es keine Auszeiten mehr, sondern familiendynamische Strukturen mit denen der Hund auf seine individuelle Art zurechtkommen muss. Hunde sind damit vielfach überfordert und können diese an sie gestellten Erwartungen einfach nicht erfüllen.

Letztlich sind die vielen Unfälle zwischen Kind und Hund in den eigenen vier Wänden ein Indiz für überzogene Erwartungen und falschen, grenzüberschreitenden Umgang mit dem Partner Hund.

Ich stelle Menschen in meinen Kursen oft die Frage, wie sie sich einen guten Mitarbeiter vorstellen würden. Verlässlich, engagiert, hat Spaß an der Arbeit, bringt sich ein – sind häufig genannte Attribute. Auch unsere Vierbeiner sollten Spaß am gemeinsamen tiergestützten Einsatz haben, denn nur so erfüllt tiergestützte Arbeit ihren Sinn.

autor_andrea_wiesner

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