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Mrz 6, 2018
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Das Problem mit der Dominanz bei Hunden

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Im Wolfs- oder Hunderudel hat das dominante Tier den anstrengendsten Job: es trägt die Verantwortung für die gesamte Gruppe. Meist handelt es sich dabei um ein erfahrenes Tier, dass Ruhe und Sicherheit ausstrahlt und die anderen Rudelmitglieder so dazu bringt, sich an ihm zu orientieren. Der Rudelchef sorgt für ein harmonisches Zusammenleben und ist alles andere als aggressiv – um seinen Willen durchzusetzen reicht meist ein Blick, das Einnehmen einer anderen Körperhaltung und im Höchstfall mal ein warnendes Knurren. Es ist auch nicht so, dass sich das ganze Rudel jederzeit an seinem Rudelführer orientiert. Das Bild vom Tyrannen, der jederzeit bei allen seinen Willen mit Gewalt durchsetzt und ständigen Gehorsam erwartet, ist schlichtweg falsch.

Dominanz gleich Aggressivität?

Das Problem mit dem Begriff „Dominanz“ in der Hundeerziehung ist, dass er nach wie vor viel zu oft gleichgesetzt wird mit „Aggressivität“ oder „Ungehorsam“. Leider kenne ich immer noch viele Hundeschulen und Tierpsychologen, die für jedes Problem, das nicht sofort behoben werden kann, das angeblich dominante Verhalten des Hundes verantwortlich machen. Egal ob der Hund auf dem Platz die Mitarbeit verweigert, an Menschen hochspringt, vor seinem Menschen aus der Tür geht, auf Rückruf nicht zurückkommt, knurrt oder gar beißt: all das ist nach Meinung mancher Hundeausbilder dominantes Verhalten. Eine weitere Ursachenforschung wird dann nicht betrieben. Und es gibt natürlich auch nur ein Rezept gegen das angeblich dominante Verhalten des Hundes: der Besitzer muss härter durchgreifen, konsequenter sein und dem Hund „zeigen, wo es lang geht“, wobei meistens allerdings unklar bleibt, wie dieser Rat praktisch umgesetzt werden soll. Der Umgang mit dem Hund ändert sich nun von einem Tag auf den anderen; Dinge, die vorher erlaubt waren, sind es plötzlich nicht mehr; der Umgangston wird allgemein unfreundlicher, oft herrscht nun ein regelrechter „Kasernenhofton“, bei angeblichen Dominanzproblemen wird zudem auch noch viel zu oft zu fraglichen Hilfsmitteln und Methoden gegriffen (das reicht vom Einsatz eines Stachelhalsbandes bis zum sog. Alphawurf).

Da oft nur situationsbezogen reagiert wird, wirkt der Besitzer plötzlich viel unberechenbarer und aggressiver auf den Hund. Und damit eskaliert die Situation nicht selten. Hunde, die eigentlich nur ein wenig Erziehung nötig hätten, können jetzt ängstliches Verhalten entwickeln. Beschwichtigungssignale werden wieder als dominantes Verhalten fehlinterpretiert und führen dazu, dass der Besitzer noch härter durchgreift. So entsteht dann innerhalb kürzester Zeit ein Teufelskreis und man hat ein Problem, dass man ohne die Diagnose „Dominanz“ nie gehabt hätte. Je nach Veranlagung kann der Hund jetzt aber auch aggressiv reagieren, man spricht dann von einer Selbstschutzaggression. Hat der Hund schon vorher seinen Besitzer angeknurrt oder gar gebissen, können durch das „härtere Durchgreifen“ nun wirklich gefährliche Situationen entstehen.

Natürlich sollte man all die oben aufgeführten unerwünschten Verhaltensweisen nicht stillschweigend hinnehmen. Nur sollte genau hingeschaut werden, warum der Hund sich so verhält. Erst nach einer gründlichen Analyse des Problems kann mit der entsprechenden Umerziehung begonnen werden. Wenn ein Trainer oder Tierpsychologe allzu schnell mit der Diagnose „Dominanzproblem“ daherkommt und andere Ursachen von vornherein ausschließt, sollten Sie mit Ihrem Hund also so schnell wie möglich das Weite suchen.

autor_karin_oswald

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