Hallo liebe Bertieversteher,
jetzt gehen wir aber mal ran ans Thema. Genug lamentiert! Die eigentliche Frage war ja, warum es denn so schlimm ist, wenn ein Hund am Tisch bettelt. Das es auf die Dauer unangenehm ist hoffentlich jedem klar. Aber welche schlechten Einflüsse hat das Betteln, bzw. die Duldung dieses Verhaltens auf euren Hund.
Nun, wer meine letzten drei Geschichten gelesen hat, der hat wahrscheinlich schon so eine Ahnung: Stress!
Aber der Stress entsteht nicht beim Betteln, also auch – wenn z.B. der Braten nicht schnell genug gereicht wird. Aber das lassen wir jetzt mal außen vor. Vielmehr entsteht durch das Betteln ein heftiger Widerspruch. Und das kommt so: Euer Hund weiß, dass das Recht zuerst zu essen ein hohes Gut ist. Alle Rudelmitglieder essen bei uns Hunden in einer strikten Reihenfolge von ganz oben bis nach ganz unten. Wenn ich als kleiner Terrier nun versuche diese feste Regel zu umgehen, indem ich mich herzerweichend neben euren Teller setze, dann ist das zunächst einmal völlig normal und meiner Natur entsprechend. Da riecht es gut, das ist halt sehr verlockend. Meine Neugier reagiert auf einen Braten, wie eine Eisenstange auf einen Magneten: Ich fühle mich zu ihm hingezogen. Völlig normal wäre es aber auch für mich, dass Ihr mir sofort und unmissverständlich einen Platzverweis erteilt. Ob der nun so aussieht, dass ich eine Tätigkeit zugewiesen bekomme – z.B. brav auf der Decke liegen – oder ob ich einfach nur ignoriert und weggeschubst werde, ist dabei erst einmal zweitrangig.
Nicht normal und für mich als kleinen Terrier sehr verwirrend ist aber, wenn ich dann tatsächlich etwas bekomme. Dann hämmern tausend Fragen auf mein kleines Hundehirn ein: Warum? Bin ich etwa im Rang gestiegen? Ist Meiner etwa so schwach, dass er glaubt sein Futter nicht gegen mich verteidigen zu können? Und, und, oder!
Auf all diese Fragen gibt es für mich nur eine Antwort: Er ist irgendwie schwächer als ich.
Leider übertragen wir Hunde eure „Schwäche“ auch auf andere Situationen im Leben, die mit eurem Nachgeben beim Betteln und / oder anderen banalen Dingen aus eurer Sicht gar nichts zu tun haben. Denn uns ist vollkommen klar, dass jemand, der unfähig ist einfachste Regeln durchzusetzen, erst Recht keine bedrohlichen Situationen meistern kann. Mit diesem Wissen testen wir dann aus, ob Ihr uns die Bewältigung solcher schwieriger Situationen ebenfalls überlasst. Das kann z.B. der Spaziergang sein, der Empfang (un-)gebetener Gäste oder irgendwelche anderen Situationen im Alltag. Und je mehr solche Situationen sich aneinander reihen und uns in unserer Überzeugung von eurer Schwäche bestätigen, umso mehr Stress erfahren wir. Und Ihr natürlich auch. Denn unser Verhalten wird für euch und eure Umwelt immer unerträglicher.
Also, liebe Leute. Lasst es mich mal so sagen: Man kann das natürlich nicht pauschalisieren. Das Betteln ist eins von tausend Dingen die zu einem „ungezogenen“ Hund führen können. Aber eben nur eins. Wenn euer Geselle ansonsten keine Auffälligkeiten zeigt. Wenn er das macht, was Ihr ihm sagt und zwar immer und sofort, dann könnt Ihr gerne euer Futter mit ihm teilen. Aber, wenn es denn nicht so ist, dann könnte das Betteln ein Grund sein, weshalb es denn nicht funktioniert. Ein Grund von vielen anderen Gründen.
Es ist nun einmal so, dass Ihr die intelligentere Art darstellt. Und der Intelligente muss sich immer so ausdrücken, dass der nicht so Intelligente es auch versteht. Würdet Ihr einem Analphabeten einen Brief schreiben? Würdet Ihr einen Dreijährigen euer Auto fahren lassen? Würdet Ihr einer ersten Klasse der Grundschule Goethes Faust zu lesen geben?
Aber von eurem Hund erwartet Ihr, dass er sich all die menschlichen Regeln und vor allem die dazu gehörigen Ausnahmen merkt und danach handelt? Verzeiht bitte, aber ich glaube ich komme bis nächsten Dienstag aus dem Lachen gar nicht mehr raus!
Euer Bertie
© Hundeschule WIR2 | Autor: Ralf Lindner | Vervielfältigung nur zum privaten Gebrauch | Veröffentlichung in jeglicher Form nur nach schriftlicher Genehmigung | Mehr zu „Bertie“ findet Ihr auf www.bertie-der-terrier.de und www.hundeschule-wir2.de