Kürzlich führte ich einen Wesenstest an einem Wurf sechswöchiger Welpen durch. Dabei lassen sich typische Wesensmerkmale herausfiltern und der Züchter hat es einfacher, die Welpen ihren neuen Besitzern zuzuordnen. Bei diesem Test spiele ich auch mit jedem Welpen einzeln mit einem Bällchen. Nachdem die Kleinen Vertrauen gefasst hatten, fanden sie innerhalb weniger Minuten heraus, dass sie das Bällchen zu mir tragen mussten, damit das interessante Spiel weitergehen konnte.
Bereits ganz kleine Welpen können also lernen, zu „apportieren“, denn verfolgen, greifen und tragen von Beute gehört zu ihrem natürlichen Verhaltensrepertoire.
Elterntiere tragen Beute zum Lager, um ihre Jungen zu füttern. Junghunde benutzen Beuteobjekte, um ihre Spielgefährten zum Hinterherjagen aufzufordern. „Erbeutete“ Gegenstände werden auch oft provokant herumgetragen. Soll heißen: „Kuck mal, dieser Pantoffel hier, das ist meiner, damit mach ich, was ich will!“ In die richtigen Bahnen gelenkt, lässt sich jedoch aus dem natürlichen Beuteverhalten eine wunderbare Beschäftigungsmöglichkeit herausformen. Mit entsprechendem „know how“ ist eine vielfältige Aufgabengestaltung möglich, um Aufmerksamkeit, Gehorsam, körperliche Fitness und Intelligenz des Vierbeiners zu fördern. Der zeitliche und materielle Aufwand bleiben gering, denn das handliche „kleine Dings“ kann fast überall, so „ganz nebenbei“ eingesetzt werden, sei es unterwegs, im eigenen Garten, oder notfalls auch mal nur in der Wohnung.
Wer beginnt, seinem Hund kontrollierte Beutespiele anzubieten, wird überrascht sein, welche verborgenen Wesenszüge dadurch oft zutage gefördert werden – eine wunderbare Begleiterscheinung, um unseren vierbeinigen Freund mal ganz neu zu entdecken. Wie intelligent ist er? Kann er zwei, drei oder mehr verschiedene Objekte – den Ball, den Ring, das Hühnchen – voneinander unterscheiden? Wie lange kann er sich merken, wo es liegt, wenn er zwischendurch andere Aufgaben lösen musste? Kann er auch „um die Ecke denken“, wenn er es zwar sehen, aber nicht auf direktem Weg erreichen kann?
Wie gehorsam ist er? Bringt er das Apporti unverzüglich her und gibt es brav ab?
Oder lässt er es unterwegs einfach irgendwo fallen? (Ich hab Wichtigeres zu tun!)
Rennt er angeberisch damit herum, oder beginnt in einiger Entfernung provozierend darauf herumzukauen? (Hol´s dir doch, du lahme Ente!)
Stellt er die Pfote drauf (Das ist meins!) oder zerrt womöglich knurrend daran, statt es abzugeben? (Lass sofort meine Beute los!) Solche Diskussionsangebote sollte man als willkommene Möglichkeit nehmen, um die Rollenverteilung noch einmal zu überprüfen und zu klären.
Die ersten Lernschritte
Zum Üben ist am allerbesten ein befülltes Futterdummy geeignet. Um das Interesse Ihres Hundes dafür zu erwecken, beginnen Sie am besten , wenn er nicht zu satt oder zu müde ist und sich gerade in Spiellaune befindet. Günstig wäre, wenn auch Sie gleichermaßen in „Spiellaune“ sind, denn Hunde lassen sich durch Stimmungsübertragung motivieren. Seien Sie selber objektfixiert. Wenn Sie mit dem Dummy spielen, es hoch werfen und auffangen, wird Ihr Hund sich sicher bald gerne daran beteiligen möchten. Haben Sie so seinen Spieltrieb erweckt, geben Sie ihm Gelegenheit, es zu jagen. Aber bedenken Sie dabei: Beute flieht! Also, bewegen Sie diese immer vom Hund weg. Das geht besonders gut, wenn Sie das Dummy an ein Kordel binden oder sich sogar mit einem Stock und einem Stück Seil eine Art Angel basteln. Lassen Sie ihn anfangs ruhig schnell zum Erfolg kommen, damit er sich nicht bald abwendet, weil er die Sache für aussichtslos hält. Hat er das Dummy gefangen, können Sie bereits damit beginnen, das akustische Signal „apport“ zu konditionieren* – denn Ihr „Beutegreifer“ hat gerade genau das Richtige getan. Der Moment der „Beuteübernahme“ ist am Anfang etwas kritisch, denn man muss ihm nun klar machen, dass er ordentlich abgeben soll, ohne ihn einzuschüchtern oder zu erschrecken. Sie helfen ihm dabei, wenn Sie sich klein machen, die ausgestreckte Hand unter die „Beute“ halten, diese sanft ergreifen und an sich nehmen. Liegt das Dummy nun in Ihrer Hand? Wunderbar! Dann sollte unverzüglich das „Umtauschgeschäft“, Futterbrocken gegen Beute, erfolgen.
Es klappt nicht?
Ihr Hund hat sich scheinbar gar nicht oder nur wenig für Ihr Angebot interessiert?
Manche Hunde empfinden anfangs Unsicherheit, wenn sie sich draußen mit Beutejagd beschäftigen sollen. Beginnen Sie mit dem Apportieren zu Hause und erweitern erst mit zunehmender Sicherheit Ihr „Jagdgebiet“.
Er hat das Apporti aufgenommen, aber wieder fallen gelassen, als Sie es an sich nehmen wollten? Dann haben Sie sich vielleicht zu schnell und zu gradlinig auf ihn zu bewegt, sich über ihn gebeugt oder zu hastig danach gegriffen, so dass er Ihrem besitzergreifenden Verhalten zufolge glaubt, dass Sie die „Beute“ für sich beanspruchen wollen.
Er hält das Apporti mit den Zähnen fest und will es nicht hergeben? Lassen Sie sich von Anfang an auf keine Diskussion um die „Beute“ ein, sondern nehmen Sie es ihm, ohne selber daran zu ziehen, sanft aus dem Fang und belohnen Sie ihn, als habe er es gerade freiwillig hergegeben. Arbeiten Sie vorerst mit einer Kontrollleine, um ihn notfalls heranzuholen, bis er gelernt hat, das Beutestück zu Ihnen zu bringen und nicht auf die Idee kommt, sich alleine damit zu beschäftigen.
Wesensunterschiede
Hunde reagieren auf das Angebot zu jagen sehr unterschiedlich. Mancher objektbesessene Jäger stürzt sich direkt vehement auf die verlockende Beute und ist kaum zu bremsen. Andere sind eher vorsichtiger Natur und trauen sich anfangs oft überhaupt nicht an das Objekt heran. Hier muss man mit sehr viel Fingerspitzengefühl vorgehen. Bereits das geringste Interesse sollte schon positiv bestätigt werden. Aber mit etwas Geduld können auch aus solchen zurückhaltenden Charakteren begeisterte Apportierhunde werden.
Jetzt wirds spannend…
Wenn der Vierbeiner auf diesem Wege gelernt hat, das Apporti zu holen und im Unterordnungsbereich (seitlich hinter dem Menschen) abzugeben, um dort seine Belohnung zu erhalten, kann man einen Schritt weiter gehen: Bisher durfte er sofort hinterrennen – nun soll er lernen, abzuwarten, bis er zum Apportieren geschickt wird. Sie machen es ihm leicht, wenn Sie das Dummy anfangs immer nur ein kleines Stück von ihm weg legen, statt es zu werfen. Ist er trotzdem aufgestanden und hinterher gelaufen, bugsieren Sie ihn an seinen Standort zurück. Hat er jedoch brav abgewartet, schicken Sie ihn mit richtungsweisendem Handzeichen und Signal apport zur Beute. Am Anfang werden Sie vielleicht fragende Blicke ernten, da Ihr Vierbeiner sich nicht sicher ist, was er nun tun soll. Helfen Sie ihm ruhig, indem Sie ein Stück mit ihm in die Richtung laufen und ermuntern Sie ihn, wenn Sie erkennen, dass er die richtige Idee hat. Nun werden Sie einige Zeit damit beschäftigt sein, diese Übung zu festigen.
Wie lange und wie oft trainieren?
Grundsätzlich ist es sinnvoller, mehrmals täglich kurze Trainingseinheiten anzubieten, und diese mit einem Erfolg enden zu lassen, statt die Übungen zu sehr in die Länge zu ziehen. Besonders Welpen und pubertierende Junghunde können sich nur einige Minuten auf solche Aufgaben konzentrieren. Am geschicktesten ist es immer, das Training zu einem positiven Abschluss zu bringen, wenn der Hund eigentlich noch gerne weiter gemacht hätte – umso lieber wird er das nächste mal wieder mit Ihnen arbeiten.
Für Fortgeschrittene
Wenn die Grundübungen sitzen, können Sie beginnen, mit zwei oder mehreren Apportiergegenständen zu arbeiten. Da der stärkste Reiz immer auf dem Objekt liegt, das sich zuletzt bewegt hat, schicken Sie ihn öfter mal zu einem anderen – an das er inzwischen gar nicht mehr denkt. Das macht es für ihn spannender. Wenn Sie das Signal erst geben, sobald Ihr Hund durch aufnehmen des Blickkontaktes fragt: “Darf ich jetzt?“, werden Sie bald einen aufmerksamen Partner bekommen, der auf immer feinere Signale achtet.
Festhalten
Bei Jagdgebrauchshunden ist es ein schwerer Fehler, die Beute auch nur einen Moment aus dem Fang zu lassen, bevor es vom Jäger gefordert wird. Mancher Richter erwartet, dass ein Apportierhund, der gerade das Wasser verlassen hat, selbst dem Reflex des Schüttelns wiedersteht, solange er das Beutestück nicht abgegeben hat. Weniger strenge Richter akzeptieren das Schütteln, wenn der Hund die Beute dabei nicht los lässt.
Das mag manchem Hundefreund sehr hart vorkommen, hat aber praktische Hintergründe:
Es ist schon vorgekommen, dass der Jäger plötzlich seinen Sonntagsbraten gen Himmel fliegen sah, weil sein Hund die scheinbar totgeschossene Ente abgelegt hatte, um sich erst mal kräftig das Wasser aus dem Fell zu schütteln.
Ganz so streng brauchen wir mit unseren Privathunden natürlich nicht umzugehen.
Trotzdem sollte man darauf achten, den Zeitpunkt des Auslassens nicht vom Hund bestimmen zu lassen. Abscheuliche und kontraproduktive Ausbildungsmethoden, wie z.B. dem Hund einen Apportiergegenstand zwischen die Zähne rammen und ihm dann den Fang zudrücken, sollten natürlich absolut verpönt sein. Es gibt leider Hunde, die beim Anblick von Apportiergeräten das große Zittern kriegen, weil man mit solchen und anderen unsinnigen Methoden versucht hat, sie zum Apportieren und Festhalten zu zwingen.
Schön festhalten!
Viel eher sollte man auch hier in kleinen Schritten vorgehen, damit der Hund es als etwas Positives empfinden kann, den Apportiergegenstand eine Weile festhalten zu dürfen.
Das kann man erreichen, indem man ein paar Schritte mit ihm geht, wenn er den Gegenstand aufgenommen hat und dann erst das „Umtauschgeschäft“ vornimmt. Sobald er das Apporti auch über eine längere Strecke tragen kann, beginnt man, dieses gleichzeitig mit „sitz“ zu üben. Sollte er es fallen lassen, gilt auch hier: Geduld bewahren und ihn freundlich auffordern, es wieder aufzuheben. Auf diese Weise haben bei mir bisher alle Hunde gelernt, das Apporti, die Leine oder ein Körbchen zu tragen und auch sitzend festzuhalten.
Apportiertraining soll keine stupide Beschäftigung, sondern ein spannendes Erlebnis für Mensch und Hund sein. Sind die Dummies so verteilt, dass der Hund sie von seinem Standort aus nicht direkt sehen kann, kommt interessantes Suchen und Stöbern hinzu. Baumstämme, Bachläufe und andere Naturhindernisse trainieren dabei Hirn und Körper. Die Verlorensuche, das Revieren, Markieren und Einweisen bieten fortgeschrittenen Hund-Mensch-Teams eine besonders anspruchsvolle Beschäftigungsform.
Hinweis! Verantwortungsvolle Hundebesitzer nehmen in Wald und Feld natürlich Rücksicht auf Vegetation, Wild und Eigentumsrechte.
Mir selbst passierte einmal folgendes Missgeschick: Ich ließ Dingo auf unserer Pferdeweide am Waldrand apportieren. Dabei schmiss ich das Dummy, weiter als gewollt, in den Ilex unter einen Ansitz. Kaum war mein Hund im Gebüsch verschwunden, hörte ich ein Grunzen und Knacken und befand mich unversehens Auge in Auge mit einem höchst aufgebrachten Wildschwein, das mich dann auch noch über die halbe Weide jagte. Damals amüsierten sich unser Jäger und die gesamte Nachbarschaft nicht nur über meinen überstürzten Rückzug, sondern auch über die verärgerte Sau, die den Platz unter dem Ansitz als sichersten Ort für die Aufzucht ihrer Kinderschar ausgesucht hatte.
Kann man auch ein anderes Signalwort verwenden?
Ich wurde schon öfter gefragt, ob man statt dem klassischen Signalwort „apport“ (lat.-frz.: bring her) auch ein anderes verwenden kann. Natürlich könnte man grundsätzlich jedes x-beliebige Hörsignal konditionieren*. Jedoch halte ich persönlich das Wort „apport“ für sehr geeignet, da es eine besondere Dynamik ausdrückt und für Hundeohren sehr unverwechselbar und klar erkennbar ist.